Dienstag, 20. Dezember 2016

Eine Frage der Haltung

Es muss auch der Körper eine feste Haltung haben und darf weder in der Bewegung noch in Ruhe sich gehen lassen. Denn wie Deine Seele sich in deinen Mienen verrät und Nachdenken und Ehrbarkeit darin sich zeigen so lässt sich Ähnliches vom ganzen Körper fordern. Nur muss das alles auf ungekünstelte Weise beobachtet werde
Mark Aurel- Selbstbetrachtungen  Buch 7, 60

Das Selfie ist allgegenwärtig. Es gibt keinerlei Entkommen vor Menschen die es für überlebenswichtig zu halten scheinen, sich mit dümmlicher Mimik, dümmlichen Gesten und dümmlichen Posen selbst abzulichten. Abgesehen davon dass dieses Verhalten als schönes Beispiel für das Laster der Eitelkeit (manche nennen es auch Todsünde) dienen kann, haben weder Um- noch Nachwelt irgendeinen Gewinn davon.

Obwohl auch schon die Römer offensichtlich das Bedürfnis hatten sich abbilden zu lassen, könnte der Unterschied zwischen der Büste eines Senators und einem Selfie nicht größer sein. Unter anderem im Rahmen des römischen Ahnenkultes dienten die Büsten ehemaliger Politiker vor allem als Vorbild und Ermahnung. Wenn man sich die Gesichter der Abgebildeten anschaut wird man dort kein Lächeln und keine Faxen finden. Römische Büsten schauen meist eher ernst, angestrengt und fast grimmig drein.
Für die Römer war die Ernsthaftigkeit ein Ideal, denn wie Mark Aurel schreibt, die Seele verrät sich in der Mimik. Wer ein verantwortungsvolles Amt in Rom anstrebte sollte diese Ernsthaftigkeit und diese Tiefe und Würde des Geistes ausstrahlen. Ein Possenreißer war im Senat fehl am Platz.

Heute neigen wir dazu die äußere Form entweder zu vernachlässigen, oder aber wir fokussieren uns auf die falschen Dinge wie Schönheit, Jugend oder die richtigen Markenlabel an den Klamotten. Form und Manieren werden in Deutschland häufig als oberflächlich und unaufrichtig empfunden. Zu Unrecht wie ich finde.

Als "Philosophen" sollten wir  körperliche Aspekte nicht unterschätzen, denn es wirken nicht nur die geistigen Vorgänge auf den Körper, sondern der Weg geht auch umgekehrt. Bekannt ist die Selbsterfahrungsübung, dass ein aufrechte Körperhaltung, verbunden mit einem Lächeln stimmungsaufhellend wirken kann.

Sowohl unsere Körperhaltung als auch die Art unserer Bewegung sagt etwas darüber aus, wie wir uns selbst und die Welt sehen. Es ist beispielsweise schwer vorstellbar, dass jemand der nur wenige Dinge als wirklich wichtig betrachtet gehetzt, außer Atem und  mit wehenden, derangierten  Kleidern zu einem Termin erscheint.
(oder bei Tisch frisst wie ein Schwein!)

Für die Herren der römischen Aristokratenfamilien war die gravitas, Schwere und Langsamkeit, höchster Ausdruck von Würde und Eleganz.
Das wichtigste dabei ist jedoch die "Nonchalance", das lässige, ungekünstelte. Wirken eine aufrechte Haltung und langsame Bewegungen gewollt und angestrengt, verkehrt sich die Wirkung ins Gegenteil.

Ähnlich wie Zazen über die Körperhaltung auf den Geist wirkt, können wir vielleicht auch mit dem bewussten Einüben einer guten Haltung und gemessenen Bewegungen auf unsere inneren Vorgänge zurückwirken. Denn das Handeln wie wir wissen unterliegt unserer direkten Kontrolle!




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