Dienstag, 13. Dezember 2016

Die Tugend in den kleinen Dingen



Ich liebe Historien- und Fantasyfilme und -romane. Einzutauchen in eine andere Welt, in der Gut und Böse klar getrennt sind, das Abenteuer direkt vor der Haustür liegt und Ritter, Krieger, Magier für die gute Sache kämpfen.
Wenn ich dann Begriffe wie Mut, Tapferkeit, Heldentum etc. lese, sehe ich immer Szenen aus diesem Genre vor mir. Der Ritter der sich mutig in die Schlacht stürzt, der Freiheitskämpfer der der Folter widersteht, der aufrechte Ratgeber, der seinem König tapfer widerspricht.

Nun sind die wenigsten von uns Ritter oder Revolutionäre. Wir arbeiten in ganz normalen Jobs, habe unsere normalen Familien, leben unser normales Leben.

Was bedeutet Mut für uns? Klar, wir können in Schlägereien geraten, unsere Frau verteidigen oder dem Chef mutig die Meinung geigen. Aber es gibt meiner Meinung noch kleinere, unauffälligere Gelegenheiten Mut zu zeigen.

Viele Menschen leben zum Beispiel mit einem chronisch kranken Partner zusammen. Sie müssen tagtäglich mit der Sorge leben, dass es diesem schlechter gehen könnte. Sie müssen vielleicht dessen Launen und Depressionen ertragen. Sie müssen damit leben, dass ein Großteil ihres eigenen Lebens und ihrere eigenen Energie für den Partner drauf geht. Und bei all dem müssen sie sich noch ihren eigenen Ängsten und Sorgen stellen und diese ertragen.

Es gibt in den Diskursen von Epiktet eine Szene in der ein Vater berichtet dass er die schwere Erkrankung seiner Tochter emotional nicht ertragen habe und deshalb von zu Hause geflohen sei. Nachdem der Vater sich zunächst auf die Natürlichkeit seiner Gefühle beruft, weist Epiktet in in einem kleinen Frage- und Antwortspiel auf die Folgen seines Verhaltens hin. Das natürliche Verhalten eines Vaters nämlich wäre, sich um seine Tochter so gut wie möglich zu kümmern und dabei die eigenen Gefühle auszuhalten. Schließlich kann der Vater nicht wollen, dass seine Tochter umgeben von Fremden stirbt, genauso wenig kann er wollen, dass er selbst isoliert und einsam stirbt wenn es bei ihm so weit ist.
Epiktet führt an, dass genau für dieses (naturgemäße) Verhalten Mut erforderlich ist (und natürlich auch Weisheit, Gerechtigkeit und Mäßigung).
So ist nicht unbedingt der am Mutigsten. der sich am bereitwilligsten in den Tod stürzt. Manchmal ist weiter zu leben schwieriger.


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