Montag, 7. April 2014

Erfahrungen und Dogmen

Ich habe in eibem vergangenen Post ziemlich leichtfertig den Begriff kensho gebraucht. Das könnte nahelegen, dass ich ein überzeugter, praktizierender Zen-Buddhist bin, der genau weiß wovon er spricht.
Das ist jedoch nicht der Fall. Ich denke man muss unterscheiden zwischen Methoden und Dogmen.
Egal ob es sich um Zen, die Stoa oder irgendwelche anderen Weltanschuungen handelt. Auf der einen Seite stehen die Methoden, die unter Umständen zu Erfahrungen führen, auf der anderen Seite stehen die Dogmen, die behaupten die Welt und alles was darinnen ist hinreichend erklären zu können.
Vermischt man beides, schlittert man vielleicht in ein (Denk-)System rein, das einem anfangs einige schöne Erfahrungen und Erfolgserlebnisse bietet, an dessen übersteigerten Ansprüchen man aber letztlich scheitern muss. Und der unermüdlichste Antreiber mit den überzogensten, hehrsten und perfektionistischsten Ansprüchen sind wir leider meistens selbst.

Was meine ich mit Trennung zwischen Methoden und Dogmen? Eine Erfahrung, die ich vielleicht mittels einer bestimmten Methode wie Zazen oder Techniken aus der Stoa mache steht erst einmal für sich selbst. Sie lässt sich nicht wegleugnen oder wegdiskutieren, für den der sie gemacht hat ist sie eine Tatsache. Beginne ich allerdings diese Erfahrung mit den Begriffen eines bestimmten Denksystems zu interpretieren, hole ich mir möglicherweise die (unbewiesenen) Dogmen dieses Systems mit ins Boot. Denn: Wenn die Methode zur angekündigten Erfahrung führt, muss das dahinterstehende System wahr sein, oder?

In einem Buch über Zen wird der Begriff Kensho beschrieben als ein tiefes Berührtsein durch einen Gegenstand des Alltags. Das kann eine Blume, ein Vogelzwitschern oder meinetwegen auch ein frischer, dampfender Hundehaufen sein. Dieser alltägliche Gegenstand bringt in uns etwas zum Klingen, ein Gefühl des Friedens vielleicht, eine Eins-Sein mit allem und ähnlich unbeschreibliche Empfindungen. Soweit die reine Beschreibung der Erfahrung
Dann aber beginnt der Bereich der religiösen Dogmen, indem das Buch folgendermaßen fortfährt: Diese Erfahrung rühre her von einer Reinigung des Geistes, man befinde sich zu diesem Zeitpunkt im Samadhi und werfe einen Blick auf die WAHRE Natur der Dinge!
Folgende, unbeweisbare Behauptungen stecken in diesem kleinen Abschnitt:

- Der Alltagsgeist ist unrein und kann durch Zazen porentief gereinigt werden, dann erst kommt der wahre Geist zum Vorschein.
- Es gibt eine WAHRE Natur der Dinge, die irgendwie viel friedvoller und mystischer ist, auf die man einen Blick erhaschen kann.

Den Bereich der reinen Erfahrung haben wir hier verlassen, und nehmen die Dogmen eines Zen auf uns, das trotz anderslautender Behauptungen in Europa weit verbreitet ist. Dieses beinhaltet Annahmen, die den Praktizierenden zu permanenter Selbstbespiegelung führen, beispielsweise ob er auch schon fühlt und ist, wie man als "Zennie" zu sein hat.  Es beinhaltet einen Dualismus zwischen unserem bösen Eggo(sic!) auf der einen Seite und dem strahlenden, intuitiven Zengeist, der alles richtig macht, auf der anderen.
Und wenn man sich irgendwie unwohl fühlt bei der ganzen Geschichte hilft nur eines: Noch mehr Zazen!

Ich sehe die ganze Geschichte systemischer und eklektischer: Hilft mir eine Methode, ein Gedanke oder eine Praxis mich besser zu fühlen, dann hat sie damit ihre Berechtigung. Ein Gott, ein reiner Geist, eine wahre Natur der Dinge, kurz alles was in den Bereich metaphysische Spekulationen gehört, ist damit noch lange nicht bewiesen.




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